Bericht “Retreat Zen & Enneagramm”
mit Dr. Ulrike Greenway und Jürgen Gündel
vom 15. – 19. März 2017
im Seminarhaus Buddhas Weg
Zen, wie geht das denn, mögen sich einige gefragt haben. Und Zen und Enneagramm, wie kann das zusammen passen?
Richard Baker-Roshi, von dem Ulrike ihre Nonnenordination erhielt, sagte kurz vor dem Retreat zu ihr: „Why don’t you teach ‚Zenneagramm‘? “Der Antwort auf diese Frage wollten sich Ulrike und Jürgen mit uns elf Teilnehmern annähern.
Ein Retreat, also ein Rückzug, ist eine Gelegenheit eine „ Schrotkur für unser Inneres“ zu machen, etwas aufzuwühlen, sich eine neue Haut wachsen zu lassen, indem man die alte über die Ohren gezogen bekommt. Mit Ulrikes Worten: „Wenn man nicht bereit ist sich das Fell über die Ohren ziehen zu lassen, braucht man gar kein Retreat zu machen.“ Und es ist gut das gemeinsam und in einer Struktur zu tun.
Die äußere Struktur des Retreats war für einige von uns dann doch überraschend.
Aufwachen um 6:20 Uhr und möglichst ungewaschen und ungeschminkt zur ersten Meditation um 6:50 Uhr im Meditationsraum erscheinen. 25 Minuten im Sitzen meditieren, eine kurze Dehnrunde und wieder 25 Minuten Sitzmeditation.
Nach dem Frühstück (und einer Dusche) zwei Morgensitzungen mit verschiedenen Übungen.
Nach dem Mittagessen eine längere Mittagsruhe mit persönlicher Praxiszeit und auch mal Gelegenheit die besondere Atmosphäre des Klosters, die herrliche Umgebung und das teilweise herrliche Wetter zu genießen.
Danach zwei Nachmittagssitzungen und nach dem Abendessen wieder zwei Sitzmeditationen und eine Gehmeditation.
Zimmerruhe oder offenes Sitzen ab 21:00 Uhr.
Zusätzlich zu der Struktur des Retreats hat auch das Kloster eine eigene Struktur in die wir eingebunden waren. Es gibt z.B. Schweigezeiten beim Essen und öffentliche Meditationen in der Buddhahalle ab 5:30 Uhr.
Doch zurück auf Anfang.
Nach einer kurzen Begrüßung von Jürgen stellten wir uns in einer Vorstellungsrunde die Frage: „Wenn ich meinen Typ hinter mir gelassen habe, wie bin ich dann nicht mehr?“
Anschließend setzten wir uns zu einer ersten Meditation auf unsere Sitzkissen auf den Boden. Hier machten einige von uns die Erfahrung, wie schwierig es sein kann, 15 Minuten in derselben Sitzhaltung zu bleiben, ohne diese zu verändern.
Einem Partner stellten wir dann die Fragen:
„Was ist dir wesentlich?“ oder „Womit möchtest du dich befähigen?“ und zuletzt
„Was ist dir das Wesentlichste?“
Der jeweils Zuhörende hatte die Aufgabe der wahrnehmenden, tragenden Akzeptanz und Aufmerksamkeit.
Einige Antworten waren:
„Inneren Frieden finden. Ruhe in mir und meine Kreativität ausgraben.“
„Mich befähigen bei mir und bei den anderen zu sein und mich nicht von außen beeinflussen lassen.“
„Zufrieden sein mit dem was ist.“
„Mein Leben sinnvoll gestalten und mich selbst zurücknehmen.“
„Spuren hinterlassen und das geht nur mit Menschen.“
„Ruhe und Gelassenheit, Zeit für mich und mich besser kennenlernen.“
„Einfach dasein und das was ist lieben, ohne zu werten. Verlagerung der Wichtigkeit von Dingen zu Menschen.“
„Mit dem Geschenk des Lebens gut umgehen. In Zeitlosigkeit hineinfinden und das Muster anhalten.“ „Lieben. Mit dem Leben im Fluss sein.“
Zur Sitzhaltung beim Meditieren sagte danach Ulrike:
„Die Wirbelsäule soll gerade sein, der Körper sich selbst halten, im Sinne von:
Ich bin mein eigenes Sitzmöbel. Auch eine Flöte bringt nur dann einen Ton hervor, wennsie gerade ist. Wenn wir unsere Extremitäten einfalten und so näher zum Herzen bringen, wie in der klassischen Meditationshaltung, wird unser Kreislauf entlastet, das Chi kann fließen.“
Meditation ist Körperzeit und ermöglicht ein Anfreunden mit dem Körper. Verschiedene Körperhaltungen lösen verschiedene innere Prozesse aus. Gesten haben eine Wirkung. Die Handhaltung kann z.B. ausdrücken, welche innere Haltung ich einnehmen möchte.“
Im Zen findet keine Atemmanipulation statt. Die Atmung kann aber eine Hilfe sein, immer wieder ins Jetzt zurückzukehren.
Ulrike zitierte noch Joan Hallifax-Roshi, die sagte: „Das Schwierigste, was wir machen können, ist einfach nur sitzen. Eigentlich ist es unmöglich, wir können es nur immer wieder versuchen.“
Dem Thema: „Was machen Struktur und Meditation mit uns?“ widmeten wir uns auch zwischendurch immer wieder. Jürgen meinte dazu: „Meditation ist ein typfreies Angebot, auf das der Typ typisch reagiert. Das können wir dann sozusagen verschärft wahrnehmen und studieren.“
Für die erste Mittagspause am Donnerstag bekamen wir die Aufgabe, uns von drei Dingen finden zu lassen. Jedem der Gegenstände sollten wir einen Begriff zuordnen.
Bei herrlichem Wetter streiften wir durchs Gelände auf der Suche nach Dingen die uns ansprachen. Am Nachmittag stellten wir unsere Fundstücke der Gruppe mit einem Gedanken oder einem Gedicht vor. Das waren teilweise sehr berührende Momente.
Um Partnerschaften “reparieren” zu können, die nicht gut laufen, machten wir eine Partnerübung für das Herzzentrum und die Barmherzigkeit.
Kennt ihr die „ Aber du Formel“? Normalerweise wissen wir sofort, was unser Partner falsch macht und glauben, wenn er seinen Fehler korrigiert wird alles besser.
Um unseren eigenen Anteil zu sehen, stellten wir uns die „ Naikan-Fragen“:
- Wie hast du mir gut getan? Was hast du mir Gutes getan?
- Was habe ich dir Gutes getan?
- Wie habe ich dir geschadet?
Am Freitag, dem dritten Tag unseres Retreats, ging es um die drei Begriffe Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht als buddhistisch-taostische Lebens- und Transformationsprinzipien.
Wir setzten uns zu zweit gegenüber und arbeiteten (mit wechselnden Partnern) jeweils 5 –7 Minuten mit den Fragen:
- Was ist meine Wahrheit?
- Was ist meine tiefere Wahrheit?
- Was ist meine tiefste Wahrheit?
Die Antworten die kamen, sollten wir wahrnehmen und freundlich damit sein, loving and kindness, liebende Güte.
Am Nachmittag führten wir diese Übung mit nur einem Partner jeweils 25 Minuten fort.
Samstagmorgen bei strömendem Regen, laut Ulrike das beste Wetter, um zu meditieren, erzählte sie uns etwas über die Bedeutung der Stille. Sie trug ihre buddistische Nonnenrobe, ein langes, schwarzes Gewand, das nur gewickelt und gebunden wird.
Als Partnerübung behandelten wir die Fragen:Wie unterstützt mich mein Typ bei deiner inneren Arbeit bzw. auf meinem Weg?
Wie hilft mir dein Typ bei meiner inneren Arbeit bzw. auf meinem Weg?
Als Aufgabe für die Mittagszeit durften wir uns noch einmal mit der Frage beschäftigen:
Was ist mir wirklich wichtig, womit möchte ich mich befähigen?
Am Nachmittag gab es eine neue Aufgabe zu zweit:
Wofür bin ich dankbar und wo fühle ich das?
Danach erläuterte uns Jürgen die Bedeutung der Wörter:
Commitment (Verbindlichkeit)
Wie schütze ich für meinen eigenen persönlichen Prozess, das was ich hier erfahren habe?
Continuity (Kontinuität)
Ein fortlaufender Weg, der zwar Unterbrechungen haben kann, aber nie zu Ende ist.
Community (Gemeinschaft)
Wir brauchen den Halt anderer Praktizierender.
Nach der Abendmeditation saßen wie noch bei einem Teechen (das war keine neue buddistische Übung, sondern ein ganz normaler leckerer Tee) zusammen und unterhielten uns unter anderem über Ulrikes Zen-Tradition.
Am letzten Vormittag klärten wir erst alleine für uns, dann gemeinsam mit einem Partner die Fragen:
Was bin ich konkret bereit zu tun, um das was mir hier begegnet ist und wichtig war, in meinen persönlichen Alltag mitzunehmen?
Wie könnte mich mein Parner zuhause, eine Situation im Job nach der Rückkehr triggern und was tue ich dann oder kann ich anders tun als sonst?
Ein Vorschlag von Ulrike für den Heimweg und das sanfte Ankommen:
Einige Rituale beibehalten und z.B. auf der Fahrt nicht sprechen, das Handy auslassen und kein Radio hören.
Nach dem letzten Rundgespräch waren sich alle einig, dass sie sich in der Gruppe, mit den Gesprächen, Übungen und Meditationen sehr wohl gefühlt hatten und die meisten wünschten sich für das nächste Jahr wieder ein Retreat.
„Meditation ist der äußerste Weg, den der Mensch gehen kann, um Gott entgegen zu gehen.“
In diesem Sinne danken wir Ulrike und Jürgen und allen Teilnehmern für ihre Offenheit und Liebe.
Claudia Goldbach
Impressionen vom “Zen & Enneagramm” Retreat 2017